Judith
Eineinhalb Stunden am Checkpoint. 350 Menschen. Eine UNO-Beauftragte sagte: “Hamas und Fatah haben sich vereint; das hier ist die Bestrafung. Das ist meine Theorie.”

Der Checkpoint ist aufgebaut wie folgt:


Zuerst stellen sich die Menschen, die aus dem Westjordanland durch den Bethlehem-Checkpoint nach Israel wollen, in einem langen vergitterten Korridor an, um dann durch ein Drehtor zur Passkontrolle zu gelangen. Danach gehen sie über einen großen Innenhof (vergleichbar mit dem eines Gefängnisses) und dann wieder einen langen vergitterten Korridor entlang. Jede Person wird einzeln durch ein weiteres Drehtor zur Sicherheitskontrolle vorgelassen, die wie am Flughafen abläuft. Dann müssen sich die Menschen wieder anstellen, um ihre Ausweise herzuzeigen und Fingerabdrücke zu hinterlassen. Schließlich gelangt man zu den Bussen in Richtung Jerusalem.


Vor der ersten Drehtür wird gedrängelt.


Heute morgen standen über 350 Menschen in dem ersten Korridor an und wurden nicht vorgelassen. Es wurden immer mehr – die Menschen wurden wütender, lauter. Aber die Soldaten weigerten sich, das erste Drehtor zu öffnen. Ich war mittendrin und bekam einige Geschichten mit. Ein junger Mann hatte seine Babytochter auf dem Arm und kämpfte sich an das Gitter vor. Er flehte den Soldaten auf der anderen Seite an, ihn durchzulassen, weil er einen wichtigen Termin im Hadassah Krankenhaus habe – seine Tochter sei sehr krank und sie hätten diesen Termin und die Erlaubnis, nach Israel zu gehen, nur schwer bekommen. Der Soldat ignorierte ihn. Als der Mann anfing zu weinen (!!!), kam gerade eine UNO-Beauftragte auf der anderen Seite des Gitters vorbei und wollte ihm helfen. Aber selbst sie konnte das Militär nicht dazu bewegen, das Tor für diesen Mann zu öffnen. Zwei kleine Kinder fingen an zu quängeln und zu schreien – „Hamaam!“. Sie mussten auf die Toilette. Als die Mütter die Soldaten nach einer Weile fragten, ob sie bitte zumindest ihre Söhne durchlassen könnten, wurden sie auch ignoriert.


Nach eineinviertel Stunden wurde das Tor schlussendlich geöffnet und die Menschen drückten und drängelten. Als sie nach der dritten Ermahnung von Seiten der israelischen Soldaten immer noch zu zweit oder zu dritt durch die Drehtüre wollten, wurde das Tor wieder verriegelt. Weiteres Warten.


Schließlich kam ein Teil von uns durch das Tor und unsere Pässe wurden kontrolliert – sie winkten mich durch, alle anderen brauchten um einiges länger. Immer, wenn ich meinen Pass aus meiner Tasche hole, sehe ich Blicke der Palästinenser und blanken Neid in ihren Augen. Ihre ID (eine blaue Papierkarte) erleichtert ihre Reisen, Visaanträge und Zugang zu Israel nicht gerade - mit einem Pass der Europäischen Union nicht vergleichbar.


Als wir den Raum der Sicherheitskontrolle erreichten, sah ich mich verwundert um. Niemand wartete – der Raum war leer. Ich konnte es nicht glauben. Die eineinhalb Stunden Wartezeit waren tatsächlich reine Schikane gewesen, wie die UN-Beauftragte gesagt hatte. Kein Grund, uns nicht vorzulassen.


Dieses Erlebnis heute hat mich wirklich berührt – ich hörte Männer, die sich darüber beklagten, nicht rechtzeitig zur Arbeit zu kommen; sah alte Frauen, die schon am Anfang sehr müde waren – am Ende saßen einige von ihnen auf dem dreckigen Boden und starrten in die Luft. Viele Männer rauchten, verpesteten die Luft auf engem Raum – wir standen so nahe beieinander, alle schwitzten, jammerten, versuchten zu verstehen.


Für mich war es eine interessante Erfahrung, als einzige Ausländerin – und als eine der einzigen Frauen ohne Kopftuch – dabei zu sein, mit den Menschen zu reden, zu beobachten.