Judith
Eine kurze Anekdote:

Wir hatten diesen Mittwoch wegen eines jüdischen Feiertages frei – so heiß, wie es war, stellte sich ein Tag im Schwimmbad in Palästina als einzige Option für mich heraus. Da meine palästinensischen Freunde alle arbeiten mussten und meine Kolleginnen andere Pläne hatten, machte ich mich alleine in langer Hose und weitem T-Shirt auf den Weg. Etwas außerhalb von Beit Sahour in dem so genannten „Tourist Resort Murad“ angekommen, zeigte mir der Ticketverkäufer den Pool. Ungefähr 15 Frauen mit Hijab (Hidschab) und Abaya standen mit ihren Männern um das Becken herum und sahen ihren Söhnen beim Schwimmen zu. Ihre Töchter waren auch verhüllt und nicht im Pool. Als ich durch das Gitter kam, hörten alle auf zu reden und starrten mich an. Sogar die Jungen im Wasser machten eine Pause.

Ich denke, ich kann diesen Moment als das peinlichste, was ich je erlebt habe, bezeichnen ... Obwohl ich total angezogen war (außer dem Kopftuch), konnten sie wohl nicht verstehen, was ich inmitten lauter moslemischer Familien machte – ich war mir in diesem Moment auch nicht mehr sicher. Fluchtartig verließ ich den Pool und rief mir ein Taxi zurück nach Bethlehem. Der Fahrer erzählte mir von einem anderen Schwimmbad, wo vor allem christliche Familien hingingen. Gesagt, getan. Das Bad war fast leer, als ich ankam – also wollte ich auf Nummer sicher gehen und schwamm in weitem T-Shirt und „kurzer“ Hose („kurz“ relativ zu der Kultur hier), die ich noch dabei hatte, eine Runde, genoss das kühle Wasser. Gerade als ich mich in die Sonne setzte und überlegte, was wohl die beste Technik sei, um wieder trocken zu werden, sah ich eine Schar Mädchen um die 18 Jahre das Schwimmbad betreten. Schnell zogen sie sich aus und hüpften in ihren knappen Bikinis ins Wasser – ich konnte es nicht glauben!!!

Als ich später mit den Mädchen zusammen ein paar Runden schwamm, erzählten sie mir, dass es für sie normal sei und sie oder ihre Eltern sich nichts wegen der Bikinis denken würden. Das Schwimmbad sei ein abgetrennter Bereich und somit geschützt. Die Moslems sähen das anders ... – das habe ich gemerkt. Dass zwei so verschiedene Religionen und damit verbundene Kulturen (Islam, Christentum) in den drei Dörfern von Bethlehemumgebung gut zusammen leben können, halte ich immer noch für erstaunlich
(in Bethlehem haben wir 20 % Christen, in Beit Jala 90 %, in Beit Sahour fast keine).

Quelle: http://artige.no/bilde/5316

Als ich mit Laura über dieses Thema sprach, teilte sie mir einen interessanten Gedanken mit (sie war schon in mehreren arabischen Ländern):

In der moslemischen Kultur ist es die Aufgabe der Frauen, sich angemessen zu verhalten, zu kleiden; von Männern hingegen wird nicht erwartet, dass sie sich einschränken - somit werden sie normalerweise nicht kritisiert, wenn sie sich zum Beispiel beim Abendessen unhöflich verhalten, aufstoßen etc. Allgemein gesehen liegt es in der Verantwortung der Frauen, Männern möglichst wenig Raum für unangemessenes Verhalten zu geben - indem sie sich verhüllen, sind sie viel weniger anziehend. Natürlich spielen religiöse und andere kulturelle Gründe auch eine Rolle für die Motivation, sich zu verhüllen, aber diesen Gedanken fand ich wirklich interessant.

Meine Zeit hier ist nun fast vorbei - ich habe noch drei Wochen, bis ich am 1. Juli heimfliege ... Ich freue mich schon sehr auf daheim, bin aber natürlich auch traurig, mich verabschieden zu müssen (immer das gleiche...........).

مع السلامة

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